(Teil 3) Logische Schlussverfahren

Logische Schlussverfahren

Wenn der einzelne Analyst oder die Gruppe von Analysten eine Beleg-Liste zusammengestellt hat, folgt der zweite relevante Schritt geistiger Arbeit. Denn die Belege müssen nun gezielt herangezogen werden, um eine Frage zu beantworten oder eine Hypothese zu prüfen. Für Beides spielen Schlussverfahren eine signifikante Rolle. Denn der Umgang mit Belegen innerhalb einer Analyse erfordert in der Regel die (implizite oder explizite) Nutzung von (logischen) Schlussverfahren. Im Verständnis dieses Beitrags sind diese die Induktion, die Deduktion und die Abduktion. Weil diese logischen Schlussverfahren (fast) immer genutzt werden (oftmals ohne, dass der Analyst dies bewusst wahrnimmt) werden diese nachfolgend zunächst übersichtsartig dargestellt. Im Anschluss soll verdeutlicht werden, warum es (fast) immer zur Nutzung von Schlussverfahren kommt, wenn auf Grundlage von Belegen Fragen beantwortet werden. Und schließlich werden die einzelnen Schlussverfahren etwas ausführlicher behandelt, um ihre Relevanz für die Analyse angemessen zu berücksichtigen.

Bei Schlussverfahren werden unterschiedliche Darstellungsformen genutzt. Gängig sind Darstellungen, bei denen zwei oder mehr Prämissen in einem Schluss(-satz), der Konklusion, münden. Beispielsweise führen die zwei Prämissen: (a) Alle Menschen sind sterblich und (b) Der Papst ist ein Mensch zum (hier deduktiven) Schluss(-satz), (c) Der Papst ist sterblich.

Neben dieser Darstellungsform existiert auch die Unterscheidung in Fall, Ergebnis und Regel. Entsprechend dieser Unterscheidungen versucht die nachfolgenden Tabelle unterschiedliche Schlussarten übersichtsartig darzustellen.

Für die Verbindung zwischen Beleg und Fragestellung ist nun entscheidend, dass es nur selten Fragestellungen gibt, die ohne die Anwendung von Schluss-verfahren beantwortet werden können. Dies ist aus hiesiger Sicht nur dann der Fall, wenn es sich um eine direkt aufklärbare Frage handelt. Hierzu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, sie beobachten, wie Person A mit einem Messer in den Brustkorb von Person B sticht und Person B daraufhin zusammenbricht und keine Vitalfunktionen mehr zeigt.

Wenn nun die Frage gestellt wird: (1) „Wer (oder was) hat Person B getötet?“ wirkt es zunächst so, als könnte diese Frage direkt und ohne Schlussverfahren mit „Person A hat Person B mit einem Messer getötet.“ beantwortet werden. Schließlich konnten Sie diesen Vorfall mit eigenen Augen beobachten. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Denn was Sie beobachtet haben, ist lediglich, dass Person A mit einem Messer in den Brustkorb von Person B gestochen hat. Wenn also die Frage lauten würde: (b) „Wer hat Person B mit einem Messer in den Brustkorb gestochen?“, dann könnten Sie diese Frage ohne (unbewusstes) Schluss-verfahren beantworten. Wie sieht nun ein mögliches unbewusstes Schlussverfahren für Frage (1) aus?

Regel: Wenn einem Menschen ein Messer in den Brustkorb gestochen wird, er daraufhin zusammenbricht und keine Vitalzeichen mehr zeigt, hat ihn der Messerstich getötet.

Fall: Person A hat Person B einen Messerstich in den Brustkorb zugefügt. Person B ist daraufhin zusammen-gebrochen und hat keine Vitalfunktion mehr gezeigt.

Ergebnis: Person A hat Person B getötet.

Dieser deduktive Schluss ist zwar logisch hergeleitet, lässt jedoch außer Acht, dass Person B theoretisch auch an etwas anderem gestorben sein könnte. Sie konnten nicht beobachten, woran Person B gestorben ist. Der unbewusste Schluss mag zwar hochwahrscheinlich sein, er ist jedoch nicht – und das mag von außen so erscheinen – zweifelsfrei sicher. Um Frage (1) mit noch höherer Wahrscheinlichkeit beantworten zu können, werden also weitere Belege benötigt. Beispielsweise ein gerichtsmedizinisches Gutachten, aus dem hervorgeht, dass der Messerstich tatsächlich die Todesursache war und nicht ein anderer Faktor, der zeitgleich oder kurz vor dem Messerstich zum Tragen kam (beispielsweise ein schwerer Schlaganfall, Herzinfarkt etc.).

An diesem Beispiel sollen zwei Dinge deutlich werden. Erstens, dass der Formulierung von Fragestellungen eine extrem hohe Bedeutung zukommt. Denn die Formulierung der Fragestellung entscheidet darüber, wie hoch die Anforderungen an die benötigte Datenlage ausfallen beziehungsweise ob diese gegebenenfalls als aufklärbare Frage direkt, mit einem perfekten Beleg und ohne Anwendung von Schlussverfahren beantwortet werden kann. Und zweitens, dass die Anwendung von Schluss-verfahren beim Umgang mit der Datenlage die Regel und keine Ausnahme darstellt.

Aus diesem Grund sollen die drei rationalen Argumentationsweisen bzw. Schlussformen nachfolgend noch etwas ausführlicher beleuchtet werden.

Weiterlesen – Der Induktionsschluss

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